Die Erwartungen in wissenschaftliches Wissen ist bei allen Zukunftsfragen vom Klimawandel über die Welternährung und Energieversorgung bis zum Wassermangel und der Gesundheitsvorsorge immens. Es kommt auf die Vermittlung an, auf die Transfers, denn die Bildungs- und Informationsdefizite rund um den Globus sind groß.
Forum Wissenschaftsreflexion Prof. Dr. Volker Epping, Präsident der Leibniz Universität Hannover, ist daher von dem neuen Projekt sehr angetan: „Ich freue mich sehr über diesen Erfolg unserer Geistes- und Sozialwissenschaften, und es macht mich stolz, dass wir als Leibniz Universität Hannover gemäß unseres Profils und Bestrebens nun als einzige Universität im TU9-Verbund auch einen geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungsbau haben.“
* In den neuen Forschungsbau „Forum Wissenschaftsreflexion“ werden folgende Forschungsgruppen und -einrichtungen einziehen:
Der schmucke Forschungsbau mit fünf Geschossen und 2.000 Quadratmetern hat die Adresse Im Moore 23 und liegt somit nur wenige Schritte vom Hauptgebäude entfernt, dem repräsentativen Welfenschloss. Georg V. hatte es 1855 in Auftrag gegeben, weil er eine Sommerresidenz brauchte. Die Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen elf Jahre später kam dazwischen, doch konnte 1879 endlich die Königliche Technische Hochschule hier einziehen. Sie war als Höhere Gewerbeschule schon 1831 von Karl Karmarsch gegründet worden – mit 64 Schülern. Was daraus geworden ist, verschlägt einem fast den Atem (s. Infokasten). Schon 1921 gab es die drei Fakultäten für Mathematik und Naturwissenschaften, für Bauwesen und für Maschinenbau. 1991 waren erstmals mehr als 30.000 Studierende eingeschrieben – was für ein Erfolg! Im Welfenschloss befindet sich der Hauptsitz der Universität. Wer die zentrale Halle betritt, findet eine aufschlussreiche Ausstellung über den Namensgeber Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716), der die meiste Zeit seines Lebens in Hannover verbrachte. Als anregenden Gesprächspartner wusste etwa Königin Sophie Leibniz sehr zu schätzen. Die beiden schritten oft durch den von ihr angelegten Großen Garten in Herrenhausen.
Leibniz‘ umfangreicher Schriftwechsel ist immer noch nicht vollständig ausgewertet. Seine Verbindungen weltweit sind beispielhaft, seine Neugier, auf allen Gebieten zu forschen, ist ansteckend. So ist es kein Wunder, dass die Leibniz Universität neben der erwähnten Wissenschaftsreflexion noch folgende vier Forschungsschwerpunkte zu bieten hat:
Heute messen sich Forschungseinrichtungen weltweit in ihrem Tun. Dabei vorn zu liegen, innovativ zu sein und attraktiv für Forschende, Lehrende und Studierende, ist eine umfassende Aufgabe. Hannover gelingt das einerseits durch die Qualität des Angebots, andererseits durch die „weichen Faktoren“. Dazu zählen das Grün in der Stadt, Kunst und Kultur mit großen Angeboten, Theater und Musik sowie auch relativ günstige Wohnmöglichkeiten. Eine spontane Umfrage bei ausländischen Studierenden in der Aula des Welfenschlosses, ergibt dieses Bild: Jonathan (23 Jahre), Student im Maschinenbau, aus Südafrika: „Ich mag diese Stadt, die Leineauen, den Maschsee; da kann ich sitzen und lernen, niemand stört mich.“ Anna (21 Jahre), Architekturstudentin aus Belgrad: „Für mich sind die Verbindungen zu den anderen Studierenden wichtig. Ich habe hier schnell ein Netz aus Freunden gefunden.“ Nawid (26 Jahre) aus Syrien: „Bauingenieur zu werden, ist für mich das Größte. Das kann ich hier alles verwirklichen. Ich bin dankbar, der Stadt und der Uni.“ Jessica (25 Jahre) aus Tel Aviv: „Philosophie in Deutschland zu studieren, war mein Ziel. Hannover ist dafür ideal, ich fühle mich Hannah Arendt nahe, die hier geboren wurde, und von der soviel Wahrhaftiges überliefert ist.“ Welche Fachrichtungen sind gefragt? Die von den Studierenden am stärksten belegten Fächer sind Philosophie, Elektrotechnik und Informatik, Naturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Maschinenbau. Bauingenieurwesen und Geodäsie, Mathematik und Physik sowie Architektur und Landschaft folgen. Den höchsten Frauenanteil hat die Philosophische Fakultät (64 Prozent), den geringsten die Elektrotechnik (15 Prozent). Ausländische Studierende strömen vor allem in den Maschinenbau und die Elektrotechnik (je etwa 35 Prozent). Es gibt elf rein englischsprachige Studiengänge sowie vier mit englischsprachiger Vertiefung. Sechs bilinguale Studiengänge ergänzen das Angebot. Rein Englisch ist zum Beispiel die Fachrichtung Energy Technology.
Guiseppe Aracon aus Peru hat diesen Weg zum viersemestrigen Studium mit Abschluss Master in Energy Technology beschritten. Das erste Jahr wird an der Lappeenranta-Lahti-University of Technology in Finnland unterrichtet. „Das war spannend in dieser Umgebung so weit im Norden Europas mit den langen dunklen Wintern“, sagt er. „Aber ich mochte die Projektarbeit, irgendwie locker.“ Jetzt hat er in Hannover seine Masterarbeit geschrieben. „Der zweite Teil des Studiums in Hannover ist pure Freude, aber auch sehr viel Arbeit“, stellt Aracon fest. Energy Storage und Energy Efficiency sind seine Schwerpunkte. „Ich habe hier kompetentes Fachwissen und den Austausch mit Studenten aus anderen Ländern, einfach optimal“, betont der 28-Jährige. Sein Deutsch hat sich auch verbessert. Wo er einmal arbeiten wird, weiß er noch nicht. Afrika reizt ihn.
Spannend sind auch die drei Schulen, die zur Universität gehören. Es geht um Lehrerfortbildung. Das ist zum einen die Leibniz School of Education. Neu eingerichtet wurde darin das Kompetenzzentrum Robotik, das den Masterplan Digitalisierung an den Schulen unterstützt. Die Leibniz Forschungsschule Optik und Photonik erhält einen neuen Forschungsbau im Wissenschaftspark Hannover-Marienwerder. Die QUEST Leibniz Forschungsschule befasst sich mit Raum-Zeit- Forschung und Quanten. Dabei werden die Aktivitäten verschiedener Fakultäten koordiniert.
Was dann den Austausch von Wissen, den Dialog mit der Öffentlichkeit angeht, dazu spielt ein anderes Schloss eine wichtige Rolle: Schloss Herrenhausen. Es liegt – über den Georgengarten verbunden – ganz in der Nähe und bildet den Eingang zum Großen Garten. In dem Schloss veranstalten die Universität und die Volkswagenstiftung, in Hannover ansässig, regelmäßig Kolloquien. Ein Ort der Inspiration, den schon Leibniz zu schätzen wusste.